„Da muss ich erst mal meinen Arzt fragen“….
Kennen Sie das? Da gibt man eine ausführliche Ernährungsberatung und der Gesprächspartner sagt: „Da muss ich erst mal meinen Arzt fragen.“ Nun kommt der Arztbesuch, und der winkt ab: „Ernähren Sie sich ausgewogen – das langt.“ Natürlich haben Ärzte meist keine Ahnung, was denn dieses „ausgewogen“ eigentlich sein soll. Außerdem wissen sie meist nicht, dass selbst eine „ausgewogene Ernährung“ Nicht den Vitamin D-, Selen- oder Jodbedarf decken kann oder dass die allgemeine Bevölkerung den notwendigen Folsäure-, Magnesium- und Kalziumbedarf mehrheitlich damit nicht deckt.
Noch schlimmer sind die wirren Ansichten über Diäten und was hier funktioniert, und was nicht. Dabei ist jeder zweite Deutsche übergewichtig, 75% der Bevölkerung hat zu hohe Blutfettwerte, 20 Millionen Bundesbürger haben zu hohen Blutdruck. Eine Gewichtsabnahme ist hier langfristig erfolgreicher als jede Pharmatherapie. Wenigstens die jungen Ärzte sind sich dieser Defizite durchaus bewusst.
74,5 Prozent der Jungärzte geben eine komplett unzureichende Ausbildung im Bereich „Ernährung“ zu.
Die Universität Erlangen-Nürnberg wollte wissen, in welchen Bereichen junge Ärzte Defizite in der Ausbildung sehen. Das Projekt wurde im Rahmen der Förderinitiative Versorgungsforschung der Bundesärztekammer sowie von der Bayerischen Landesärztekammer gefördert. (1) Insgesamt konnten die Angaben von 593 jungen Ärztinnen und Ärzten ausgewertet werden. 74,5% der Befragten beklagen am häufigsten die Defizite im Bereich Ernährung. Grund dafür ist die Ausbildung. 1-2 Seminare über Ernährung im gesamten Studium. Das war´s.
Und wie sieht es bei den niedergelassenen Ärzten aus? Hier wurde der Bereich Ernährung im Studium meist komplett ausgeklammert, und die Ausbildung liegt dann auch noch 20 Jahre zurück. Fortbildung? Meist Fehlanzeige.
Ärzte sind Laien in Ernährungsfragen.
Über die naiven Fragen, die ich von Ärzten regelmäßig gestellt bekomme, bin ich oft erschüttert. Die meisten Menschen, die zu meinen Seminaren kommen und sich mit dem Thema Ernährung intensiv beschäftigen, haben ein wesentlich höheres Wissen über die Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Ernährung. Tatsächlich bin ich häufig tief beeindruckt, welche Wissenstiefe bei meinen Seminarteilnehmern vorhanden ist, wenn nach Seminaren Fragen an mich gestellt werden. Dies übertrifft bei weitem den Typus von „Anfänger“-Fragen, die ich von Ärzten in der Regel bekomme. Das ist von mir gar nicht abwertend gemeint, nur eins ist klar: Die Geisteshaltung, nur mit Tabletten der Pharmaindustrie behandeln zu können, steht den meisten Ärzten im Weg.
Der Zusammenhang zwischen Erkrankungen und Ernährung wird von Ärzten kaum erkannt. Dabei gehen 70% der Erkrankungen auf falsche Ernährung zurück. Auch die Regulationsmechanismen, die der Körper hat, wenn er alle Vitalstoffe bekommt, werden absolut unterschätzt.
Arztgläubigkeit und Beratungszeit
Der Arzt ist in Ernährungsfragen definitiv NICHT der richtige Ansprechpartner. Woher sollte die Motivation in der Ärzteschaft kommen, das zu ändern? Trotzdem ist die Arztgläubigkeit in Deutschland ist unerschütterlich. Es ist auch von der Bezahlung her dem Arzt überhaupt nicht möglich, mehr als einen kurzen Satz zu sagen. Ein niedergelassener Mediziner muss laut einer Studie im Auftrag der Gmünder Ersatzkasse (GEK) bis zu 70 Patienten am Tag betreuen. Pro Patient bleiben dem Arzt also im Schnitt sechs Minuten. Studien zeigen, dass beim Arztbesuch der einleitende Bericht des Patienten schon nach durchschnittlich 15 Sekunden durch Fragen des Arztes unterbrochen wird oder dieser in 50 % der Fälle – oft abgewendet vom Patienten – gleichzeitig kleine „Nebentätigkeiten“ (Karteikarte lesen, Computer bedienen etc.) ausführt. Dadurch können wesentliche Aspekte der Anamnese (z. B. über Diäten oder Diabetes) gar nicht berücksichtigt werden. Bei chronisch Kranken dauert das „Gespräch“ sogar durchschnittlich nur 7 Sekunden, bevor der Arzt unterbricht.
Kostendruck und falsche Erwartungen von Patienten
Bei durchschnittlich 27 Euro Honorar pro Quartal, egal wie oft der Patient kommt, ist eine Beratung, die über das schnelle Verschreiben eines Pharma-Mittelchens hinausgeht, unmöglich. Bei chronischen Patienten ist das Honorar pro Quartal oft nur 13,57 Euro. Sie können also unmöglich vom Arzt erwarten, dass er für diesen Betrag einen übergewichtigen Bluthochdruck-Patienten in Fragen der Ernährung berät.
Ärzte werden aber regelmäßig von ihren Patienten mit diesem absolut unrealistischen Erwartungshorizont konfrontiert. Den kann ein Arzt gar nicht bedienen, selbst wenn er will. Immerhin muss er einen riesigen Kostenblock mit Miete, Personal, Versicherungen und Geräten finanzieren. Daher ist es verständlich, wenn Ärzte eine berechtigte Frage zu Vitalstoffen oder Ernährung einfach mit einem kurzen Satz wie „Ernähren Sie sich ausgewogen“ sofort und resolut abwürgt. Eine kostentreibende Diskussion ist absolut unerwünscht.
Evolution und Selektion. Nährstoffe können vieles besser regulieren!
Unser Körper kann eine Vielzahl von Krankheiten selbst am besten heilen. Notwendige Voraussetzung dafür: Dass wir alle 45 notwendigen Vitalstoffe bekommen, die wir dafür unbedingt benötigen. Unser Körper ist auch in der Lage, täglich entstehende Krebszellen unter Kontrolle zu halten. Voraussetzung dafür: Wir bekommen einige hunderte Pflanzenstoffe, die unsere Zellen optimal schützen. (Siehe auch mein Post: „Haben Sie heute schon Ihre tägliche Mini-Chemotherapie gegessen?“ Ich spreche hier über Prävention, nicht über die Behandlung von Krebspatienten!)
Die Reparaturmechanismen unseres Körpers sind mächtig, wenn unsere biochemische Fabrik alle notwendigen Stoffe bekommt. Wir haben uns als Lebewesen auf diesem Planeten genau deswegen in der Evolution durchsetzen können, weil wir Zellen optimal selbst reparieren können. Sonst wären wir schlichtweg ausselektiert worden. In der Evolution gab es keine Ärzte und keine Pharmaindustrie. Die kurzen Testreihen eines Pharmamedikaments, über ein paar Jahre hinweg, kommen nicht annährend an die Wirkung von wichtigen Vitalstoffen wie Vitaminen, Mineralien, Spurenelementen oder Omega-3 heran, die über Millionen von Jahren immer wieder an den Zellen „getestet“ wurden, um dann die Überlebenswahrscheinlichkeit dieser Zellen zu erhöhen. Deswegen haben alle Zellen zum Beispiel einen Vitamin D-Rezeptor (Andockstelle), und keine Extra-Andockstelle für das Medikament XYZ. Diese fundamentalen Mechanismen der Selbstreparatur und Prävention durch Vitalstoffe zu ignorieren, gefährdet die Gesundheit vieler Patienten, die sich ausschließlich auf den Arzt oder die Pharmaindustrie verlassen.
Möchten Sie Ihre Gesundheit verbessern?
Nach meiner Erfahrung sind 95% der Ärzte überhaupt nicht qualifiziert, um über Ernährung irgendetwas Sinnvolles zu sagen. Und sie wollen dies auch nicht, wegen des Zeit-Kostendrucks. Ich sage bewusst nicht Desinteresse, weil ich mich an Fakten halten will, und der Zeit-Kostendruck ist ein Fakt, den Ärzte aus nachvollziehbaren Gründen nicht ignorieren können.
Nur, wer sich auf laienhafte „Arzt-Meinungen“ zum Thema Ernährung und „abwürgende Phrasen“ verlässt, wird zwar behandelt, wird aber in vielen Fällen nie gesund, weil der wichtigste Aspekt nicht angegangen wird: Ihre Lebensführung.
Ihr Andreas Jopp
Quelle
1) Dtsch Arztebl 2010; 107(14): A-654 / B-570 / C-562
Über:
Andreas Jopp ist Medizinjournalist, Gesundheitstrainer und Bestsellerautor.
Er veröffentlichte über 200 Fachartikel zu medizinischen Themen und hat sieben Bücher zu den Themen Eiweiß & Abnehmen, Vitamine & Mineralien, Fette & Gesundheit und Nichtrauchen veröffentlicht. Die Bücher standen wochenlang auf den Focus und Stern Sachbuchhitlisten und sind in 16 Sprachen übersetzt. Er gilt als einer der bekanntesten Ernährungs- und Anti-Aging Spezialisten im deutschsprachigen Raum.